An deinem Pferd erkennst du, wie beeinflussbar du bist
Gerade, wenn du ein Pferd hast, dass nicht so “bedienbar” ist (oh ich mag dieses Wort ja gar nicht), wie es in der Reiterwelt erwartet wird, wirst du sehr schnell merken: Es werden nicht nur Erwartungen an dein Pferd gestellt, sondern auch an dich.
Wie gehst du in gewissen Situationen mit deinem Pferd um?
Setzt du dich durch?
Lässt du deinem Pferd nichts durchgehen?
Verwöhnst du dein Pferd?
“Arbeitest” du dein Pferd vernünftig?
Oder machst du nur Laffifarri?
Juckelst du nur durch die Gegend?
Bist du immer nur schön am Massieren und Tätscheln?
Hat dein Pferd etwa Mitspracherecht?
Oder verschwendest du deine Zeit sogar nur mit dem gemeinsamen Sein deines Pferdes?
Reiter untereinander beäugen sich oft kritisch. Und ganz schnell wird in Schubladen eingeteilt, wer den allgemeinen Erwartungen gerecht wird, und wer nicht.
Ja, das kann ganz schön Druck erzeugen, vor allem, wenn man sich in einem Umfeld bewegt, in dem für echtes Fühlen, Hinschauen, Spüren und Wahrnehmen keine Offenheit da ist.
So manche Probleme mit dem Pferd entstehen, weil wir uns beeinflussen lassen und das eigene Gefühl hinten an stellen.
Wie oft ist es dir schon passiert, dass du dich dabei erwischst, ganz anders zu handeln, als du es jedoch am liebsten tun würdest? Und was macht diese Erkenntnis mit dir? Was macht es mit der Beziehung zu deinem Pferd, wenn du gegen dein Gefühl handelst?
Im nächsten Schritt kannst du dich fragen, wie sehr sich die Verbindung und das Vertrauen zu deinem Pferd verändern würde, wenn du den Mut hättest, deiner Intuition zu folgen? Vielleicht hast du dazu bereits eine Idee.
Aber natürlich hat es auch gute Gründe, warum wir uns beeinflussen lassen.
Warum wir oft gegen unser eigenes Gefühl handeln
Oft würden wir viel lieber ganz anders handeln, als wir es dann letztendlich tun, weil wir Sorge haben, dass die vielen Prophezeiungen der Anderen wahr sein können. Und was wäre dann?
Dann hätten wir uns vielleicht geirrt. Dann hätten wir vielleicht einen Fehler gemacht. Und vielleicht könnte man diesen Fehler nie wieder gut machen. Das ist unsere große Angst.
Mal abgesehen davon, dass wir immer Angst haben, unser Gesicht zu verlieren, fürchten wir die Häme unserer Mitmenschen. „Hab ich der doch gleich gesagt, dass sie so mit ihrem Pferd nicht weiterkommt.“
Außerdem haben wir natürlich Angst, uns selbst in Gefahr zu bringen. Natürlich kann das Zusammensein mit einem Pferd gefährlich werden, wenn gewisse Dinge nicht stimmen. Gar keine Frage. Unser Angst basiert deswegen auch auf der Sorge, zu verunglücken oder auch Andere in Gefahr zu bringen. Absolut berechtigt. Deswegen entscheiden wir uns oft dann doch für die Dinge, die „man halt so macht“, auch wenn unser Gefühl was Anderes sagt.
Im Zweifel folgen wir also der weitläufigen Meinung. Auch wenn unser Bauchgefühl rebelliert. Auch, wenn wir dann abends im Bett liegen und spüren “Das war nicht richtig.”
Es kann sehr herausfordernd sein, sich (zunächst stellenweise) von der Beeinflussung von außen zu lösen und gleichzeitig der eigenen Intuition mehr zu vertrauen.
Außerdem gibt es bzgl. der Intuition auch die ein oder andere Krux, die es zu beachten gilt.
Doch beherzige vorab dieses: Egal, an welchem Punkt du gerade stehst, es ist der PERFEKTE Startpunkt für alles, was du dir wünschst.
Die Krux mit der Intuition
Trägst du den Wunsch in dir, dich mehr und mehr von der Beeinflussung von außen zu lösen und gleichzeitig deine eigene Intuition als Kompass zu nutzen? Möchtest du dich im Umgang mit deinem Pferd mehr auf dein eigenes Gefühl verlassen? Und hast du keine Lust mehr, dein Handeln ständig nur nach den Erwartungen der Anderen auszurichten, weil „man es eben so zu machen hat“?
Diesen Wunsch kann ich gut verstehen. Sich von der eigenen inneren Stimme leiten zu lassen ist etwas Wunderschönes und Erfüllendes. Definitiv.
Die Herausforderung liegt jedoch darin, dass wir manchmal nicht unterscheiden können, was unsere Intuition ist, und was auf unseren Ängsten basiert. Der Punkt ist nämlich, dass in uns nicht nur unsere innere Führung steckt, sondern auch unsere Prägung, unsere Ängste, unsere Glaubenssätze, unsere Zweifel und all die Erfahrungen, die wir bereits gemacht haben.
Woher willst du wissen, wann deine Intuition mit dir spricht und wann du gerade von deiner Prägung geleitet wirst?
Unser Leben besteht aus Gewohnheiten. Sogar die Art, wie du denkst und wie du fühlst, ist eine Gewohnheit. Du hast es so gelernt. Bestimmte Erlebnisse hast du mit bestimmten Gefühlen verknüpft. Immer und immer wieder. Die immer wiederkehrenden Gedanken über dich selbst sind lediglich Gewohnheiten. Du bist es gewohnt, so über dich zu denken. Und dein Körper ist es gewohnt, bei jedem noch so kleinen Gedanken gewissen Gefühle zu erzeugen. Das bedeutet, dass noch nicht einmal deine Gefühle WAHR sein müssen, sondern oft einfach nur erlernt und konditioniert sind.
Krass, oder? Wenn dir wirklich bewusst wird, wie sehr geprägt und konditioniert du eigentlich bist und wie sehr dein ganzes Leben auf Gewohnheiten aufbaut, dann wird dir auch bewusst, dass es ein schwieriges Unterfangen sein kann, überhaupt zu erkennen, wann deine Intuition sich meldet und wann du einfach nur den üblichen Gefühls- und Gedankenbrei abspulst.
Übrigens: Nix gegen die Prägung. Es ist vollkommen normal, dass wir geprägt sind. Wenn sie uns jedoch im Wege steht, dürfen wir beginnen, sie zu hinterfragen, damit wir uns selbst ein Stück mehr wieder finden können.
Prägung und Intuition: Wann spürst du was?
Deine Intuition ist die Stimme deiner Seele. Sie ist eine ruhige, sanfte, klare und immer beständige Kraft in dir. Wie ein ruhiger See wohnt sie dir inne. Sie ist unspektakulär, unscheinbar, subtil und zentriert. Sie IST einfach. In sich ruhend und gleichzeitig so kraftvoll.
Während die Stimme(n) deiner Prägung oft laut, bewertend, kritisierend, wild, rational und aufgeregt ist, immer Gründe findet und mit teilweise heftigen Emotionen und Spektakel verbunden ist, ist die Stimme der Intuition wie ein sanftes, liebevolles Gefühl, das meist irrational ist.
Die Intuition liefert keine Gründe, keine Argumente, keine Pläne, keine Strategien, keine Wenn- und Aber’s. Sie ist absichtslos und versorgt dich mit einem tiefen Impuls, losgelöst vom logischen und rationalen Denken.
Das innere Gefühl oder auch innere Wissen, das von deiner Intuition kommt, ist oft nur für einen kleinen Moment wahrnehmbar, bis sich die Stimmen der Prägung einschalten und den leisen Impuls der Seele überdecken.
Deine Intuition ist etwas, das lange vor deiner Prägung existierte. Sie ist immer gleich; egal, welche Prägung du erhalten hast. Deine Intuition berührt deine Prägung nicht und wird von ihr nicht beeinflusst. Sie IST einfach, sie war einfach und wie wird immer einfach da sein.
Beobachte dich selbst mal eine Weile. Wenn es Dinge gibt, die du am liebsten mit deinem Pferd machen würdest, wie verhalten sich die inneren Stimmen in dir? Merkst du vielleicht, dass ein plötzlicher Impuls/Geistesblitz da ist, der dann aber schnell k.o. geht, weil sofort viele Gründe da sind, die dir sagen, warum etwas nicht geht?
Achte auch auf körperliche Symptome. Die Intuition wird oft auch durch Gänsehaut unterstützt. Während die Prägung z.B. unangenehmes Herzklopfen erzeugt und dich mit Ängsten konfrontiert.
Ich glaube, ich muss dazu mal eine Podcast-Folge machen.
Deiner Intuition folgen
Wenn du dir wünschst, im Umgang mit deinem Pferd endlich mehr auf dein eigenes Gefühl zu hören, dann ist der erste Schritt, den Unterschied zwischen Intuition und Prägung zu erkennen. Weiter oben im Artikel bin ich ja bereits darauf eingegangen.
Doch was bedeutet es dann jetzt, wenn du deine Intuition von deiner Prägung unterscheiden kannst? Wozu dient dir diese Fähigkeit?
Vielleicht kommst du mit deinem Pferd in Situationen, in denen du deine Intuition sehr gut wahrnehmen kannst, du jedoch auch deinen Verstand nicht außen vorlassen willst, weil der ja nun mal auch wichtig und dienlich sein kann.
Es geht nicht darum, blind deinen Impulsen zu vertrauen. Denn auch das wäre eine Einbahnstraße. Wenn wir etwas ausklammern, leben wir keine Vollkommenheit. Und zu Vollkommenheit gehört alles. Auch der Kopf, der Verstand, die Prägung etc.
Es geht also keinesfalls darum, die Intuition als Allheilmittel zu beschreiben. Es geht viel mehr darum, sie mit ins Boot zu holen.
Wenn deine Intuition dir sagt, dass dein Pferd jetzt z.B. bereit ist, dich mal auf seinem Rücken zu tragen, dann ist auf der anderen Seite vielleicht der Kopf, der dir sagt, dass das keine gute Idee ist, weil….
Dann nimmst du also Intuition und Prägung gleichzeitig wahr. Es wäre dann nicht richtig, NUR deiner Intuition zu folgen, weil dein Körper mitunter eine andere Sprache spricht (Angst, Zweifel), was sich auf dein Pferd auswirken könnte.
Wenn du also intuitiv spürst, dass dein Pferd zum Reiten bereit wäre, DU aber noch ein Problem/Zweifel/Ängste hast, dann suche dir Unterstützung. Und zwar von den Menschen, zu denen du dich intuitiv hingezogen fühlst und die vertretbare Ansichten mit dir teilen.
Wenn deine Intuition dir sagt, dass dein Pferd noch Zeit braucht, dein Kopf (oder Andere) aber sagt „Der muss aber jetzt geritten werden, weil…“, dann höre auf deine Intuition und erkenne, dass das Gefühl von „ich muss aber jetzt“ von deiner Prägung kommt, die dich in etwas rein drücken will, wozu jetzt noch nicht der richtige Zeitpunkt ist.
Letztendlich folgst du in beiden Situationen deiner Intuition. Und darum geht es. Es geht aber nicht darum, deine Ängste deswegen zu ignorieren.
Verstehst du den Unterschied?
Ok, jetzt gibt es ja am Stall auch einige Situationen, die gar nichts mit Angst zu tun haben. Zum Beispiel dann, wenn es um gewissen Fragen wie z.B. Sporen, Ausbindern, Gebisse, Gerten, Futter, Haltung, Gesundheit etc. geht; oder um Sätze wie „setz dich durch“, „warum reitest du heute nicht? Dein Pferd muss mehr tun“ oder „dein Pferd muss besser funktionieren“. All das sind Dinge, bei denen wir uns oft unter Druck gesetzt fühlen, wenn mit unserem Pferd etwas nicht so klappt, wie es erwartet wird.
Dann schnappt die Falle zu. Wir lassen uns verleiten, Dinge zu tun, die wir eigentlich gar nicht tun wollen und handeln somit GEGEN unsere Intuition.
Beginne, dich in diesen Dingen einfach ein bisschen auszuprobieren.
Ist es wirklich so, dass dein Pferd „das immer wieder macht“, weil du jetzt einmal abgestiegen bist? Ist es wirklich so, dass dein Pferd auch morgen „keinen Bock“ haben wird, wenn du heute das Training abbrichst, weil dein Pferd nicht mitmachen möchte? Und ist es wirklich so, dass du das „Problem nie in den Griff bekommst“, wenn du dich jetzt nicht mal „richtig durchsetzt“?
Ich habe andere Erfahrungen gemacht. Aber nur, weil ich es ausprobiert und mich auf mein Gefühl verlassen habe. Der größte Unsinn, der in der Reiterwelt seine Kreise zieht, ist der Glaubenssatz, dass es morgen nicht klappen wird, wenn ich es heute nicht durchsetze. Ich habe sogar das Gegenteil erfahren. Das Vertrauen meines Pferdes mir gegenüber wächst, wenn ich erkenne, dass es Tage gibt, an denen meinem Pferd irgendeine Laus über die Leber gelaufen ist und das gewisse Dinge einfach nicht klappen. Und dass es am nächsten Tag um so freudvoller wieder an meiner Seite ist UND mitmacht, wenn es merkt, dass ich seine Bedürfnisse sehe und achte. Das ist Partnerschaft.
Und ja, das ist ein heißes Thema, weil viele nur in der Kategorie „entweder oder“ denken. Entweder durchsetzen, oder das Pferd macht immer, was es will. Aber es gibt so viel dazwischen. So viele Facetten. So viele unterschiedliche Situationen, die unterschiedliche Handlungen erfordern. Da kann man gar nichts pauschalisieren und muss immer von Situation zu Situation abwägen und entscheiden.
Und dennoch kann man bei all diesen Situationen prima üben, was die Intuition dazu sagt.
„Wie würde ich am liebsten handeln, wenn es den Druck von außen nicht gäbe“ – das könnte eine gute Leitfrage sein, mit der du beginnst, für dich heraus zu finden, wie sehr du dich beeinflussen lässt; entweder von dir selbst oder von Anderen. Und dann beginnst du, dich immer mehr an deine Intuition heran zu tasten und sie auf Herz und Nieren zu prüfen.
Du wirst schnell merken, wie sehr sich die Beziehung zu deinem Pferd verbessert, wenn du dir immer mal wieder erlaubst, deiner Intuition zu folgen. Und irgendwann kommt für dich gar nichts Anderes mehr in Frage, weil du eben für dich Beweise gefunden hast, dass deine Intuition sicher ist.
Hast du dazu Fragen? Gerne her damit.
Ansonsten hoffe ich, dass dieser Artikel für dich eine kleine Motivation war, dich mit dem Thema Intuition und Prägung auseinander zu setzen.
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Wenn du eine wirklich tiefe, vertrauensvolle Beziehung zu deinem Pferd aufbauen möchtest, dann ist es unabdingbar, dich in gewissen Dingen von deiner Prägung zu verabschieden; nämlich immer dann, wenn sie dich von deinem wahren Selbst abschneidet, dich blockiert und klein hält.
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Herzensgrüße an dich, Sabine